Rettungswegsystematik in Deutschland und Österreich

30. Juni 2023

Brennt es in Deutschland anders als in Österreich? – Rettungswege in der Brandschutzplanung

Ein genauer Blick in die brandschutztechnischen Vorgaben in Deutschland zeigt bereits teils marginale, teils wesentliche Unterschiede in der Rettungswegsystematik in den Bauordnungen der 16 deutschen Bundesländer. Dies wird noch ergänzt durch eine weitere Variante des Baurechts in der Musterbauordnung.

Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass es scheinbar innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ein einheitliches Verständnis für die Sicherheit gegenüber Brandereignissen geben muss. Dies wird deutlich an der Industriebaurichtlinie, die in allen 16 Bundesländern annähernd entsprechend der Muster-Industrierichtlinie, wie sie durch die ARGE Bau/ Bauministerkonferenz definiert ist, eingeführt ist. Auch der Aspekt, dass in allen Bundesländern die im Brandschutz zu verfolgenden Schutzziele sich wiederfinden, unterstreicht diese These. „Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“ (§14 MBO, Art. 12 BayBO).

Abgeleitet davon, wagen wir den Blick über die Landesgrenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus ins benachbarte Österreich. Nachdem es schon innerhalb der 16 Bundesländer Unterschiede gibt, wirft sich unweigerlich auch hier die Frage auf, ob das Sicherheitsniveau und die Sicherheitsarchitektur länderübergreifend Gemeinsamkeiten hat oder brennt es in Deutschland anders als in Österreich?

Dieser Frage kann anhand der materiell-rechtlichen Anforderungen zu den Rettungswegen aus dem deutschen Baurecht und den Anforderungen aus der OIB Richtlinie 2 aus Österreich nachgegangen werden. Dazu bedienen wir uns für einen Abgleich wieder der Muster-Industriebaurichtlinie, wie sie in Deutschland eingeführt ist. Vergleicht man diese mit der in Österreich gültigen OIB-Richtlinie 2.1, die den Brandschutz bei Betriebsbauten regelt, kann festgestellt werden, dass sich diese beiden Rechtsgrundlagen für Industriebauten (in Österreich Betriebsbauten genannt) in den Grundzügen entsprechen.

Die OIB-Richtlinie in Österreich nimmt jedoch eine Unterscheidung zwischen Fluchtwegen und Rettungswegen vor, wobei Fluchtwege selbstständig benutzbar sind und Rettungswege unter Zuhilfenahme der Feuerwehr benutzt werden. Der länderübergreifende Vergleich weist bereits bei den Rettungswegen/ Fluchtwegen (D/Ö) die ersten Unterschiede auf.

So ist die höchstzulässige Weglänge für Aufenthaltsräume (Begrifflichkeit MBO) mit maximal 35 Meter die in Analogie dazu in Österreich eine zulässige Fluchtweglänge von 40 Meter ermöglicht. Analog wiederum in beiden Rechtsgrundlagen sind die Anforderungen gegeben, dass ein Rettungsweg bzw. Fluchtweg einen direkten Ausgang ins Freie, in ein Treppenraum/ Treppenhaus bzw. zu einer Außentreppe bedarf.

Der Blick in die OIB-Richtlinie 2, die die Anforderungen an Regelbauten von Wohn- und Geschäftsgebäuden sowie diverser in Deutschland bekannt als Sonderbauten – wie Schulen, Kindergärten, Beherbergungsstätten, etc. regelt – zeigt, dass unter gewissen Voraussetzungen für Gebäude der Gebäudeklasse 2, 3 und 4 (Anmerkung annähernd gleiche Einstufung wie noch MBO) ein Treppenraum als einziger Rettungsweg ausreichend erscheint. Bei weitergehenden höheren Anforderungen ist es sogar möglich, auch in Gebäudeklasse 5 gemäß Tabelle 2b (Abb. 5) mit nur einem Rettungsweg auszukommen. Anleiterbare Stellen sind hierbei nicht vorgesehen bzw. erforderlich.

Was bei genauer Betrachtung deutlich wird ist, dass sich die baulichen Anforderungen von Treppenräumen und daran angrenzenden Türen zu Wohnungen, Betriebseinheiten und sonstigen Räumen der OIB-Richtlinie 2 im Allgemeinen über den Anforderungen des materiellen Baurechts der Musterbauordnung bzw. der einzelnen Länderbauordnungen befinden. Auch bei der Sicherung des notwendigen Treppenraumes zeigt sich, dass die OIB-Richtlinie 2 hier klar auf eine Entrauchung an oberster Stelle setzt, was die Wirksamkeit einer Entrauchung weitaus mehr fördert, als die in Deutschland zulässigen Öffnungen zur Rauchableitung in jedem Geschoss.

Brandschutzplanung mit Ingenieurverstand

Der Vergleich der Rechtsgrundlagen für den Brandschutz in Deutschland zu denen in Österreich zeigt durchaus unterschiedliche Herangehensweisen. Er lässt aber anhand eines Vergleiches der in beiden Ländern vorhandenen „Industriebaurichtlinie“ erkennen, dass jeder Landesbauordnung im Vergleich zur OIB-Richtlinie 2 ein annähernd gleiches Sicherheitsniveau unterstellt werden kann. Daher gibt es kein richtig oder falsch der einen oder der anderen Rechtsgrundlage. Es ermöglicht jedoch bei einem Blick über die Ländergrenzen hinweg, Lösungen zu finden, die der jeweiligen Planungsaufgabe am weitesten gerecht werden sowie den in den deutschen Landesbauordnungen bisher nicht näher definierten Sicherheitstreppenraum mit Leben zu füllen.